Freitag, 10. Mai 2013, 09.00h-17.00h,
Aula der Hochschule für Philosophie
Die Bemühungen um eine integrative Psychotherapie führen nicht nur in der Praxis zu Problemen, sondern auch im Theoriebereich. Denn verschiedene Konstrukte und Konzepte sind schwer miteinander in Verbindung zu bringen.
In der Psychotherapie sind die Begriffe „Ich“ und „Selbst“ vor allem in der Begriffs- und Konzeptgeschichte der Psychoanalyse von grundlegender theoretischer Bedeutung.
Hatte Sigmund Freud mit dem Modell der Instanzen Es / Ich / Überich versucht, verschiedene Subsysteme der menschlichen Informationsverarbeitung zu konzeptualisieren, so hat sich bei Jung, aber auch bei Rogers und Pearls die Bedeutung eines besonderen Subsystems, nämlich des „Selbst“ als bedeutsam herauskristallisiert.
In der psychotherapeutischen Praxis haben diese Begriffe für das Verständnis von psychischen Störungen eine recht zentrale Bedeutung erlangt, von der auch die Verhaltenstherapie nicht ganz frei ist. Auch die Selbsterfahrung, die jeder Therapeut in der Ausbildung absolvieren sollte, zeigt, dass die Konstrukte „Ich“ und „Selbst“ durchwegs einen Erfahrungshintergrund abbilden und damit eine subjektive Realität darstellen.
Im Gegensatz dazu behaupten heute einige Vertreter der analytischen Philosophie, dass diese Ausdrücke keine mentalen Entitäten repräsentieren, sondern nur „substantivierte Reflexivpronomina“ sind: „Es gibt kein Ich, aber mich“ (Beckermann). Auch wird in der Philosophie zwischen „Ich“ und „Selbst“ meist nicht differenziert. Man geht allerdings davon aus, dass es ein Selbstkonzept oder Selbstmodell gibt, die von der „Person“ als Repräsentanz explizit und implizit konstruiert werden. Handelt es sich dabei um eine virtuelle Realität bzw. um eine Illusion (Metzinger)?
In der Neurobiologie gibt es viele Vertreter, die dieser Auffassung zustimmen. So gibt es empirische Studien in der Neurobiologie, die versuchen, mittelliniennahe Gehirngebiete der „selbstbezogenen Informationsverarbeitung“ zuzuordnen (Northoff). Der klinische Neurobiologe Damasio hat ein differenziertes Modell des Selbst konstruiert, das zunächst als präreflexives Protoselbst zu denken ist, aus dem sich dann mit zunehmenden Interaktionserfahrungen der Person ein Kernselbst und schließlich das autobiographische Selbst entwickelt. Wenngleich zu dieser Konzeption bereits viel Kritik, vor allem auch aus der analytischen Philosophie gekommen ist (Lenzen), scheint sich hier der Kreis zu den klassischen Konzepten der Psychoanalyse und Tiefenpsychologie zu schließen.
Bei der Tagung wurden diese Fragestellungen interdisziplinär diskutiert.
Prof. Dr. Brüntrup SJ
Prof. Dr. Frick SJ
Prof. Dr. Dr. Dr. Tretter
Programm
9:00 Uhr
Eröffnung durch den Präsidenten der Hochschule für Philosophie
Prof. Dr. Dr. Johannes Wallacher
9:15 Uhr
Einführung in das Tagungsthema
Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter
Leitthema: Das „Ich“, das „Selbst“ und das Subjekt
9.30 Uhr
Vom Ich zum Selbst. C.G. Jungs zentraler Beitrag zur Psychotherapie
Prof. Dr. Eckhard Frick SJ, Professor für psychosomatische Anthropologie, Hochschule für Philosophie, München
Moderation: Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter
Kommentar: Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ
Diskussion
10.30 Uhr
Pause
10.45 Uhr
Aspekte der klinischen Neurobiologie I – Die kortikale Repräsentanz des Körpers und seine Störungen
Prof. Dr. Georg Goldenberg, Abt. Neuropsychologie, Klinikum Bogenhausen
Moderation: Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ
Kommentar: Prof. Dr. Boris Kotchoubey
11.45 Uhr
Mittagspause
13.45 Uhr
Aspekte der klinischen Neurobiologie II ‒ Das Selbst existiert doch und sogar mehrere!
Prof. Dr. Boris Kotchoubey, Medizinsche Psychologie, Universität Tübingen
Moderation: Prof. Dr. Eckhard Frick SJ
Kommentar: Prof. Dr. Georg Goldenberg
Diskussion
14.45 Uhr
Reales und ideales Selbst – ein philosophischer Zugang
Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ, Lehrstuhl für Philosophie und Motivation, Hochschule für Philosophie, München
Moderation: Prof. Dr. Boris Kotchoubey
Kommentar: Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter
Diskussion
15:45
Pause
16.00 Uhr
Das "Ich", das "Selbst" und das Subjekt in der Psychiatrie
Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter, Kompetenzzentrum Sucht, Isar-Amper-Klinikum München-Ost
Moderation: Prof. Dr. Georg Goldenberg
Kommentar: Prof. Dr. Eckhard Frick SJ
Diskussion
17.00 Uhr
Abschluss der Tagung
Organisation
Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ (Hochschule für Philosophie)
Prof. Dr. Eckhard Frick SJ (Hochschule für Philosophie)
Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter (Isar-Amper-Klinikum München-Ost)
Weitere Informationen
Veranstaltungsort
Hochschule für Philosophie
Kaulbachstr. 31a
80539 München
Fortbildungspunkte
Gefördert durch den Erich-Lejeune-Lehrstuhl für Philosophie und Motivation