Die neunte Konferenz der ASSC fand in diesem Jahr an der Caltech (California Institute of Technology) unter der Leitung des bekannten Neurowissenschaftlers Christof Koch statt. Aufgrund dieser Tatsache war das Programm von neurowissenschaftlichen Vorträgen dominiert. Der Schwerpunkt dieser kurzen und notwendigerweise inadäquaten Zusammenfassung sei in erster Linie den philosophischen Sichtweisen und Argumentationen in kritischer Berücksichtung neurowissenschaftlicher Standpunkte gewidmet. Zentrale Frage an die Tagung war: Wie argumentieren Philosophen bezüglich Bewusstsein, welche aktuellen Thesen vertreten sie und wie treten sie (sofern überhaupt) in Bezug oder Austausch mit neurowissenschaftlichen und physikalischen Theorien?
Zunächst eine Übersicht der philosophischen Tagungsbeiträge:
PHILOSOPHY 1:
- Eric Schwitzgebel: Eperience without attention?
- Colin Klein: An imerative theory of pain
- Josh Weisberg: A limited defense on the ability hypothesis
- Brian Gleney: Consciousness and crossmodal integration
SELF:
- Tim Bayne: Consciousness and attention in the split-brain
- Roblin Meeks: You are not here: Locating the self in the brain
- Uriah Kriegel: No consciousness without self-consciousness: The empirical argument
PLENARY SYMPOSION 3: Stanley Klein: Philosophy, physics and psychology in Libet´s subjective time experiments
PHILOSOPHY 2:
- Andrew Brook: The Representational basis of consciousness
- Marius Dumitru: The quale of a thought
- David Pitt: Meaning psychologism
- Brian Felsen: The conscious room
KEYNOTE LECTURE: John Searle: Dualism reconsidered
Zu Beginn seiner Keynote wies Searle auf seine Abneigung bezüglich PowerPoint hin: “[...] because it takes too much power to get to the point.” Das Ergebnis waren Overheadfolien (s.o.). Inhaltlich widmete er sich dem seiner Meinung nach wiedererstarkenden Dualismus.
Bewusstsein als qualitatives, ontologisch subjektives sowie intentionales Phänomen ist nach Searle verursacht durch neurobiologische Prozesse und im System des Gehirns realisiert. Doch wie kann Bewusstsein als biologisches Phänomen (so Searle´s Überzeugung) funktionieren?
Durch die essentielle und notwendige Abweisung reduktionalistischer Argumente aus der Sicht der dritten Person stellt sich wieder die Frage nach dem Phänomen erster Person - jedoch hat diese Irreduzibilität von Bewusstsein ein Weideraufkommen von Formen des Dualismus zur Folge. Searle sieht in der Entwicklung der letzten Dekade eine signifikante sowie für ihn dramatische Zunahme von wissenschaftlichen Abhandlungen, welche nun wieder auf den Dualismus zurückgreifen. Dualismus per se sei wieder wissenschaftlich respektabel geworden. Für Searle ist und bleibt jegliche Spielart des Dualismus völlig inakzeptabel.
“You might ask, what´s wrong about dualism? Well, almost EVERYTHING!” Dualismus ist so inkohärent, wie er jeher war, die Argumente für ihn sind schlechte Argumente und, so sein wesentlichster Punkt: Wir können die Realität sowie Irreduzibilität von Bewusstsein verstehen, ohne einen, wie auch immer gearteten Dualismus zu akzeptieren.
Betrachtung
Der Vortrag von John Searle wurde hier bewusst entgegengesetzt der Reihenfolge an erster Stelle gesetzt, da er sehr deutlich (als Abschlussveranstaltung) den Gesamtkontext der Tagung wiederspiegelt. Denn interessanterweise, und dies habe ich für meine Magisterarbeit bei Prof. Dr. Godehard Brüntrup S.J. argumentativ hervorragend nutzen können, gehen viele Neurowissenschaftler wieder von einer Form des Dualismus aus und b) auf dem hochkritischen Hintergrund klassischer Physik im newtonschen/maxwellschen Sinne. Ferner belegten die neurowissenschaftlichen Vorträge eine hohe Akzeptanz der These, Bewusstsein sei ein physikalisch - biologisches Phänomen und (ausschließlich) im Gehirn zu verorten. Aus diesen Gründen scheint es interessanter, hierüber zusammenfassend zu berichten, statt explizit einzeln die Vorträge wiederzugeben. Diese sind in o. g. Abstracts umfassender nachzulesen, als sie hier dargestellt werden könnten. Zudem lag der Fokus meiner Teilnahme in erster Linie auf der gesamtmetaphysischen sowie allgemein philosophischen Argumentation im Rahmen von Bewusstsein sowie Erfahrung, welcher in die Magisterarbeit ( Gregg Rosenbergs Metaphysik des Bewusstseins. Eine kritische Rekonstruktion ) einfließen sollte.
Bewusstsein ist die Domäne der Neurowissenschaften
So könnte man (überspitzt) die Grundargumentation der neurowissenschaftlichen Vorträge zusammenfassen. Die zentrale Suche gilt den neuronalen Korrelaten des Bewusstsein (NCC) im Gehirn. Mittels dieser NCC´s soll es gelingen, Bewusstsein im Searl´schen Sinne im Gehirn zu verorten. Diese Verortung wird gerne mit Bewusstsein per se gleichgesetzt, auch wenn Koch anderenorts, und nur im Anhang letztlich zugeben muss:
“[...] I: Wollen Sie damit sagen, dass die NCC das Rätsel des Bewusstseins lösen werden?” C: Nein, nein, nein! Letztendlich brauchen wir eine prinzipielle Erklärung dafür, warum und unter welchen Umständen gewisse Formen hoch komplexer biologischer Entitäten subjektive Erfahrungen haben und warum uns diese Erfahrungen so erscheinen, wie sie es tun.”
(C. Koch in einem fiktiven Interview (Koch vs. Koch) in: “Bewusstsein. Ein neurobiologisches Rätsel”; München 2005).
Betrachtet man die Argumentationsstränge in den Vorträgen bezüglich der Grundlegung, so mag es einem vorkommen wie in alten physikalischen Laboratorien: Es werden mechanische Prozesse verortet, welche mittels (elektro-)mechanischer Übertragung auf noch ungeklärte Art und Weise Bewusstsein hervorrufen. Die Verwunderung gilt dann der Hervorbringung von Bewusstsein und wird in der Tat gerne mit irgendeiner Spielart des Dualismus “erklärt”. Die vorgebrachten Alternativen beziehen sich dann auf physikalistische, reduktive Argumentationen und erklären, sattsam bekannt, Bewusstsein notwendigerweise als Epiphänomen. Alleine die Tatsache, dass es sich um eine Tagung der ASSC (die Betonung liegt auf dem C) handelte, machte es etwas schwerer, gleich mit einem elliminativen Physikalismus zu antworten (was jedoch, vor allem in den Gesprächen, stattfand). Das WIE im biologisch/physikalischen Sinne wurde fälschlicherweise dem WAS gleichgesetzt: Wenn wir messen, WIE bestimmte Gehirnregionen reagieren (oder das gesamte Gehirn; siehe “Gobal Workspace Theories”), dann wissen wir, WAS Bewusstsein ist. Zwei Problematiken aus philosophischer Sicht treten hier deutlich hervor: a) das WIE wird mit dem WAS gleichgesetzt; noch schwerwiegender ist b) das WIE wird basierend auf einer klassischen (s.o.) physikalischen Argumentation erklärt.
Bezüglich des Physikalismus lässt sich folgendes nach der ASSC 9 konstatieren: Die Grundströmungen des Physikalismus (nichtreduktiver Physikalismus; reduktiver Physikalismus; Abstraktionalismus und elliminativer Physikalismus) sind nach wie vor in den Argumentationen präsent. Alle diese Formen sind grundsätzlich an die klassische Newton/Maxwell-Physik gekoppelt - nur vereinzelt trifft man moderne physikalische Argumentationen an. Stuart Hameroff argumentierte beispielsweise während der Postersession (siehe Bild 1) mit einer quantenmechanischen Konstruktion von Gehirnprozessen und wurde heftig kritisiert. Interessanterweise wurde ihm mehrfach die unzutreffende mikrophysikalische Geschlossenheit von quantenmechanischen Phänomenen entgegnet. Jedoch ist es seit längeren bekannt, dass eben diese Geschlossenheit nicht mehr zutrifft; man denke beispielsweise an makrophysikalische Phänomene wie das Bose-Einstein-Kondensat, Suprafluidität, etc. (Der finnische Philosoph Paavo Pylkkänen weist hierauf im 1. Kapitel seines 2006 erscheinenden Buches “Time Consciousness. The Relevance of Bohmian Physics to our Understanding of the Mind.” hin.)
Zudem wird Bewusstsein als physikalisch-biologisches Phänomen betrachtet, unter Zuhilfenahme klassischer Physik. So entstehen Anomalien, welche aufgrund eines Kategorienfehlers notwendig sind: “You are adding consciousness to something that explains almost everything, but consciousness, in order to explain consciousness. That is not very satiesfying.” (Uziel Awret: “Art, Science and Consciousness”; Köln 2000) Uziel Awret (Scientific Review) ist einer der wenigen Philosophen auf der ASSC 9 gewesen, welcher in aller Schärfe die unzulässige physikalistische Argumentation bezüglich Bewusstsein angriff. Nimmt man jedoch beharrlich die klassische Position der Physik an und wendet sich auf Bewusstsein sowie Erfahrung an, so ist es in der Tat nicht verwunderlich, wenn diese Dinge nicht zusammengehen .
WIE versus WAS
Christof Koch argumentiert beispielsweise, dem Phänomen des Bewusstseins liegen eine besondere Gruppe von Nervenzellen, verteilt über kortikale und subkortikale Gehirnareale, zugrunde. Jedoch erklärt dies bestenfalls das WIE und bezieht sich, wie bereits erwähnt, in der theoretischen Grundlegung auf mechanische Prozesse. Natürlich scheint Erfahren mit neuralen Prozessen zu korrelieren - dies bedeutet jedoch nicht, dass es nichts ausser neuralen Prozessen gäbe. Neuronale Korrelate sind nicht das Bewusstsein und somit kann das Wesen, das WAS nicht hinreichend erklärt werden. Jedoch ist diese Feststellung bei Neurowissenschaftlern nicht anerkannt, wie es sich in Gesprächen während der ASSC 9 herauskristallisierte. Auch die Entwicklungen im Bereich der Philosophy of Mind werden nicht sonderlich beachtet. Eine nicht-physikalische Metaphysik wird auch unter den Philosophen als spekulativ angesehen. Längere Gespräche mit John Baressi, sowie mit Uriah Kriegel und John Searle brachten neben vielen interessanten Aspekten dennoch ein mehr oder minder tiefes Misstrauen gegenüber einem liberalen Naturalismus (wie ihn beispielsweise Gregg Rosenberg vertritt) hervor. Eine nicht-physikalische Erklärung von Bewusstsein, einhergehend mit einer wie auch immer gearteten Form des Panexperientalismus (oder Panpsychismus) in der Tradition von A. N. Whitehead oder D. R. Griffin wird abgelehnt. “Derzeit kann man diesen modernen Panpsychismus nur als provokante These akzeptieren.” (Koch 2005; S.9)
Konsequenzen für die Philosophie
Bewusstsein ist ein genuin nichtphysikalisches Phänomen. Die Applikation jeglichen Physikalismus reduziert Bewusstsein entweder zu einem Epihänomen und somit zu einer Wirkungslosigkeit, oder führt uns rein physikalistisch zu der sogenannten Vietnam Metapher (saving a village by destroying it). Die andere klassische Möglichkeit wäre, die Realität des Mentalen gänzlich abzustreiten (Ellimination).
Was auf der ASSC 9 sehr deutlich wurde, ist die Notwendigkeit im Bereich der Philosophy of Mind einerseits eine moderne (quantenmechanische) Physik anzunehmen, welche Übereinstimmungen mit dem Phänomen des Bewusstseins aufzeigt; andererseits Bewusstsein nicht physikalisch-reduktionistisch zu betrachten sondern als genuines Phänomen nicht-physikalischer Natur. Die Ergebnisse der Neurowissenschaften sind hilfreich für eine philosophische Erklärung des WAS, jedoch müssen Neurowissenschaften und Philosophie viel enger zusammenarbeiten und eine gegenseitige Kenntnis gewinnen. Um es mit Alva Noë zu benennen: “The moral to be drawn is that neuroscience, far from having freed itself of philosophy, needs the help of philosophy now more than ever.” (Alva Noë: “Are there Neural Correlates of Consciousness? 2004)
Abschließend lässt sich sagen, die ASSC 9 in Pasadena gab einen höchst interessanten und adäquaten Überblick hinsichtlich der Erforschung des Bewusstseins - mit einer allerdings stark ausgeprägten neurowissenschaftlichen Sichtweise. Der philosophische Forschungsbereich war übersichtlich, jedoch hochwertig, was die Vorträge von John Searle, Alva Noë, Uriah Kriegel, etc. belegen. Die Möglichkeit der Kontaktaufnahme und ausführlicher Gespräche waren für mich sehr wertvoll und brachten viele neue Erkenntnisse.
Interessante Links:
- Uriah Kriegel: www.ephilosopher.com/kriegel/index.php?Papers
- John Searle: http://socrates.berkeley.edu/~jsearle/articles.html
- Alva Noë: http://ist-socrates.berkeley.edu/~noe/
- Online Papers on Consciousness: http://consc.net/online1.html
ASSC 10 vom 23. - 26. Juni 2006 in Oxford: http://assc.caltech.edu/assc10/