Natur als Grenze der Freiheit? Ethische Fragen des Menschen im Umgang mit sich selbst
BA: III/2, WP Völker
MAkons: III (EG)
MA-Ethik: III (MEZ), V
MA-IB: V
Thematik
Spätestens seit Beginn der Neuzeit gilt die Berufung auf die „Natur des Menschen“ als feste normative Bezugsgröße in ethischen Fragen als problematisch und hat deshalb sukzessive an Bedeutung verloren. Ein typischer Vertreter eines Freiheitsdenkens, das zur Überwindung der natürlichen Grenzen aufruft, die dem Menschen durch seine (tatsächliche oder vermeintliche) Natur gesetzt sind, ist John Stuart Mill. Bei ihm wird aus der Überwindung der Natur eine Verpflichtung.
Andererseits häufen sich – gerade auch im Hinblick auf aktuelle bioethische Herausforderungen, aber nicht nur in diesem Kontext – die Stimmen, die eine Rückbesinnung auf anthropologische Fragen fordern, weil man ohne sie nicht zu substanziellen Antworten auf drängende ethische Fragen kommt. Einer der prominentesten Vertreter dieser Gruppe ist Jürgen Habermas mit seinem Plädoyer für eine Gattungsethik in Die Zukunft der menschlichen Natur. Diese Form von Ethik verfolgt das Ziel, der Selbstveränderung der menschlichen Gattung Grenzen zu ziehen, die in einem gattungsethischen Selbstverständnis des Menschen begründet sind. Damit antwortet er auf biotechnologische Entwicklungen (etwa im Bereich der Genetik und der Reproduktionsmedizin), die eine Technisierung der menschlichen Natur ermöglichen. In ihnen sieht er eine potenzielle Gefährdung des humanen Selbstbildes, und er fordert deshalb: „Was durch Wissenschaft technisch disponibel geworden ist, soll durch moralische Kontrolle normativ wieder unverfügbar gemacht werden.“ Damit schließt er sich dem Rechtswissenschaftler und politischen Soziologen Wolfgang van der Daele an, der von einer „Moralisierung der menschlichen Natur“ spricht und damit die Forderung verbindet, dass die Achtung vor dieser Natur über die Selbstbestimmung des menschlichen Handelns gesetzt wird.
Beim Rottendorf-Symposium 2017 soll es um diesen Bezug auf die menschliche „Natur“ gehen und um die Frage, welches ethisch-normative Potenzial in ihm steckt. Weil diese Thematik einerseits die philosophische Grundlagenreflexion betrifft, in der das Verhältnis von Natur und Freiheit ein ganz zentrales Thema ist, weil sie andererseits aber auch im Bereich der angewandten Ethik (Medienethik, Entwicklungsethik, Medizinethik ...) eine maßgebliche Rolle spielt, werden beide Aspekte thematisiert.
Das Seminar steht in enger Verbindung mit diesem Symposium und dient der Vorbereitung darauf:
https://www.hfph.de/forschung/drittmittelprojekte/rottendorf-projekt/projektarbeit/flyer_rottendorf_2017_online-1.pdf
Ziele
Wir lesen im Seminar als Vorbereitung auf das Rottendorf-Symposium, das ein fester Bestandteil des Seminars ist, Texte, die einerseits die philosophische Grundlagenthematik (Natur und Freiheit) und andererseits deren medizinethische Anwendung (Genetik, Enhancement und Reproduktionsmedizin) betreffen.
Methode
Kurze Referate und Diskussion
Voraussetzungen
Wenigstens Grundkenntnisse im Bereich der philosophischen Ethik, regelmäßige Teilnahme (auch am Symposium) und die Bereitschaft, ein Referat zu übernehmen.
Qualifikation
Schriftliche Hausarbeit
Zielgruppe
BA: III/2, WP Völker // MAkons: III (EG) // MA-Ethik: III (MEZ), V // MA-IB: V
Literatur
In der ersten Sitzung diskutieren wir:
Wolfgang van den Daele: Die Natürlichkeit des Menschen als Kriterium und Schranke technischer Eingriffe, in: Wechselwirkungen 103-104 (2000) 24-31. (Und in: Karl R. Kegler & M. Kerner (Hg.), Der künstliche Mensch. Körper und Intelligenz im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit, Köln: Böhlau 2002, 55-72.)
Wolfgang van den Daele: Die Moralisierung der menschlichen Natur und Naturbezüge in gesellschaftlichen Institutionen, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV) 70 (1987) 351-366.
Die Literatur wird in der ersten Sitzung genannt.