Freundschaft als Grundbegriff der Ethik bei Aristoteles und Kant
MAkons: III (EG)
Mag: F3, F8
ZEP: A
Thematik
Sowohl bei Aristoteles als auch bei Kant spielt der Freundschaftsbegriff eine prominente Rolle in der Ethik. Bei Aristoteles kann man das kaum übersehen. Ungefähr ein Fünftel seines ethischen Hauptwerkes, der Nikomachischen Ethik, handelt davon; zwei der insgesamt 10 Bücher dieses Werkes, nämlich die Bücher 8 und 9, sind dem Freundschaftsthema gewidmet. Schon der bloße Umfang der Freundschaftsabhandlung lässt also erahnen, welche Bedeutung der Gemeinschaft und den vielfältigen Freundschaftsformen, die für sie konstitutiv sind, in der aristotelischen Ethik beigemessen wird. Bei Kant wird hingegen oft übersehen, dass der Freundschaftsbegriff eine zentrale Bedeutung hat, weil er in den von ihm veröffentlichten Schriften keinen großen Raum einnimmt. Nicht der Umfang, sondern der exponierte Ort unterstreicht bei ihm die zentrale Bedeutung dieses Themas. Kant handelt von der Freundschaft im ‚Beschluss der Elementarlehre‘ der Tugendlehre, dem zweiten Teil der Metaphysik der Sitten. Außerdem taucht der Begriff in seinen Vorlesungen wiederholt auf. Trotz deutlich unterschiedlicher Akzentsetzungen gibt es viele Gemeinsamkeiten in den Freundschaftskonzeptionen von Aristoteles und Kant. Wenn man sie vergleicht, tritt ihr Profil deutlich heraus.
Ziele
Wir werden im Seminar intensiv die relevante Primärliteratur studieren und diskutieren. Es geht in erster Linie um solide Arbeit am Text, aber daran anknüpfend auch um systematische Überlegungen zum Freundschaftsthema.
Methode
16.04 Einführung und Semesterplanung
23.04 Aristoteles: Nikomachische Ethik, Buch 8 (Freundschaft I): S. 251-260.
(8.1) Gründe für die Behandlung der Freundschaft (8.2) Schwierigkeiten bezüglich der Freundschaft. Die Arten der Freundschaft (8.3) Drei Arten der Freundschaft (8.4) Die vollkommene Freundschaft zwischen Guten (8.5) Vergleich der vollkommenen und unvollkommenen Freundschaft (8.6) Unterscheidung zwischen Disposition und Tätigkeit bei der Freundschaft
30.04 Aristoteles: Nikomachische Ethik, Buch 8 (Freundschaft I): S. 261-272.
(8.7) Affekt und Disposition. Verschiedene Beziehungen zwischen den drei Arten der Freundschaft (8.8) Eigentliche und abgeleitete Freundschaft. Freundschaft zwischen Ungleichen (8.9) Wie viel Verschiedenheit verträgt die Freundschaft? (8.10) Bedeutung der Gleicheit und Ungleichheit für die Freundschaft (8.11) Freundschaft findet sich wie die Gerechtigkeit in der Gemeinschaft (8.12) Die verschiedenen Arten der Staatsverfassung
07.05 Aristoteles: Nikomachische Ethik, Buch 8 (Freundschaft I): S. 272-281.
(8.13) Die Formen der Freundschaft und Gerechtigkeit entsprechen den Formen der Verfassung (8.14) Freundschaft in der Familie (8.15) Schwierigkeiten bezüglich der Freundschaft (8.16) Streitigkeiten in der Freundschaft zwischen Ungleichen
21.05 Aristoteles: Nikomachische Ethik, Buch 9 (Freundschaft II): S. 283-289.
(9.1) Streitigkeiten in heterogenen Arten der Freundschaft (9.2) Verschiedene Arten der Freundschaft erzeugen verschiedene Verpflichtungen (9.3) Die Auflösung von Freundschaften
28.05 Aristoteles: Nikomachische Ethik, Buch 9 (Freundschaft II): S. 290-301.
(9.4) Freundschaft mit sich selbst und Freundschaft mit anderen (9.5) Wohlwollen (9.6) Eintracht (9.7) Wohltäter und Empfänger von Wohltaten (9.8) Selbstliebe
11.06 Aristoteles: Nikomachische Ethik, Buch 9 (Freundschaft II): S. 301-309.
(9.9) Braucht der Glückliche Freunde? (9.10) Wie viele Freunde braucht der glückliche Mensch? (9.11) Braucht man Freunde mehr im Glück oder im Unglück? (9.12) Freundschaft als Gemeinsamkeit des Lebens
18.06 Kant: Metaphysik der Sitten, Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre
Beschluß der Elementarlehre: Von der innigsten Vereinigung der Liebe mit der Achtung in der Freundschaft, § 46-47, AA VI:469-473.
25.06 Kant: Vorlesung zur Moralphilosophie
Mitschrift von Collins, 1774/75 bzw. 76/77, AA 27:422-430, Von der Freundschaft
02.07 Kant: Vorlesung zur Metaphysik der Sitten
Mitschrift von Vigilantius, 1793/94, (§§ 113-137), AA 27:675-686, Von den Liebes- und Tugendpflichten
(Die Seitenangaben der Nikomachischen Ethik nehmen auf die Ausgabe von Ursula Wolf Bezug. Die Gliederungspunkt sind aus dieser Ausgabe. Bei Kant beziehen sich die Seitenangaben auf die Akademie-Ausgabe).
Voraussetzungen
Das Seminar setzt Grundkenntnisse der Ethik von Aristoteles und der Moralphilosophie von Kant voraus (wie sie z. B. in der Vorlesung 'Allgemeine Ethik' vermittelt werden).
Qualifikation
Kontinuierliche Mitarbeit im Seminar, Bereitschaft zur Übernahme eines Referats und eine schriftliche Hausarbeit.
Zielgruppe
Studierende, die mindestens über Grundkenntnisse der aristotelischen und kantischen Ethik verfügen (weil sie z. B. im Rahmen des Bachelor-Studiums die Vorlesung 'Allgemeine Ethik' gehört haben).
Literatur
Primärtexte:
Aristoteles: Nikomachische Ethik, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2006 (herausgegeben und übersetzt von Ursula Wolf).
Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten, 2. Teil: Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre, Beschluß der Elementarlehre: Von der innigsten Vereinigung der Liebe mit der Achtung in der Freundschaft.
Die zwei Texte aus den Vorlesungsmitschriften werden am Semesteranfang an die Seminarteilnehmer verteilt.
Sekundärliteratur:
Ursula Wolf: Aristoteles 'Nikomachische Ethik', Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002, vor allem S. 213-238 (Kommentar zu den Büchern 8 & 9).
Friedo Ricken: Ist Freundschaft eine Tugend? In: Friedo Ricken. Gemeinschaft, Tugend, Glück. Platon und Aristoteles über das gute Leben, Stuttgart: Kohlhammer 2004, S. 115-126.
Friedo Ricken: Freundschaft und Glück in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles. In: Friedo Ricken. Gemeinschaft, Tugend, Glück. Platon und Aristoteles über das gute Leben, Stuttgart: Kohlhammer 2004, S. 76-87.
Paton, Herbert J. (1993) [1956]: Kant on Friendship, in: Neera Kapur Badhwar (Hg.), Friendship. A Philosophical Reader, S. 133-154, Ithaca/NY: Cornell University Press 1993. (Erstveröffentlichung in: Proceedings of the British Academy 42 (1956), S. 45-68)
Wood, Allen W. (1999): Kant’s Ethical Thought, Cambridge: Cambridge University Press, vor allem: S. 275-282 (Friendship).
Baron, Marcia (2013): Friendship, Duties Regarding Specific Conditions of Persons, and the Virtues of Social Intercourse (TL 6:468-474), in: Andreas Trampota & Oliver Sensen & Jens Timmermann, Kant’s Tugendlehre. A Comprehensive Commentary, Berlin: Walter de Gruyter, S. 365-382.
Fasching, Maria (1990): Zum Begriff der Freundschaft bei Aristoteles und Kant, Würzburg 1990.