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PD Dr. Mara-Daria Cojocaru
"The question is not, Can they reason? nor Can they talk?" But ...? Voraussetzungen und Entwicklungen der zeitgenössischen Tierethik
Proseminar
2-stdg.
Mittwoch, 17–19 Uhr
Raum:
Seminarraum 2
Termine:
ab 9. April 2014
BA:
III/1
Thematik
Der Titel dieses Seminares ist überschrieben mit dem unvollständigen Zitat von Jeremy Bentham aus dem Jahre 1789, das wie kaum ein anderes angeführt worden ist für eine sich wandelnde Sicht auf den moralischen Status von Tieren. In Gänze lautete es: "Die Frage ist nicht: Können sie denken? Oder: Können sie sprechen? Sondern: Können sie leiden?" – "sie", das sind Tiere, die mit Blick auf einen ihnen qua Tier zukommenden Status über die längste Zeit der menschlichen Kultur und Reflexion nicht in die ethische Theoriebildung integriert worden sind. Obschon man der Annahme sein könnte, dass mit Benthams Vorstoß aus der utilitaristischen Theorietradition die Angelegenheit hätte geklärt sein können, wird im Gegenteil schnell klar, dass dies nicht der Fall gewesen ist. Nicht nur tritt die Inkohärenz in unserem Umgang mit Tieren täglich weiterhin zutage; zudem hat es seither in der ethischen Theoriebildungen wenigstens zwei weitere Wellen gegeben, die sich an den normativen Aspekten der Mensch-Tier-Beziehung abgearbeitet haben und weiterhin abarbeiten.
Dies ist zum einen darin begründet, dass der Utilitarismus nicht dasjenige ethische Paradigma ist, das schlechthin überzeugt. Die Frage, was "die Frage" nun wirklich ist, kann offenkundig noch lange nicht als geklärt gelten. Deswegen werden wir uns in diesem Seminar mit der Bandbreite an konkurrierenden ethischen Paradigmen befassen, die sich mit der Extension ihres Anwendungsbereiches auf Tiere befassen, und uns dabei auf die aktuellsten Stränge der Debatte konzentrieren.
Damit verbunden ist zweitens die Frage danach, wie in diesen Theorien jeweils die Voraussetzungen dafür, überhaupt als moralisch relevant zu gelten, konzipiert werden. Welche Eigenschaften muss darüber hinaus ein Tier vorweisen, damit es "zählt" und wie verhalten sich diese Konzeptionen im Rahmen einer Ethik, die für Tiere und Menschen gleichermaßen "gelten" soll? Die kritische Prüfung dieser Grundlagen der Theorieangebote stellt daher den Schwerpunkt der Analyse dar.
Die Tierethik zählt, trotz ihrer Angewiesenheit auf den Rekurs auf Debatten in der theoretischen Philosophie, zu den anwendungsorientierten Disziplinen der Philosophie. Deswegen werden wir uns im letzten Drittel des Seminars mit konkreten, handlungsrelevanten Problemfeldern der Mensch-Tier-Beziehung befassen.
Methode
In diesem Seminar werden wir in den ersten beiden Dritteln die prominentesten Positionen in der zeitgenössischen Tierethik studieren; anhand einer lektüreleitenden Frage sollen die Texte für die gemeinsame Erarbeitung des Arguments gründlich vorbereitet werden; dieser Textarbeit wird (statt eines Referats) eine ca. 15-minütige Einbettung vorangestellt. Im letzten Drittel werden ausgewählte ethische Probleme diskutiert; dabei sollen ausgehend von den Literaturangaben im Vorfeld verteilte Positionen recherchiert werden, die im Seminar strukturiert debattiert werden.
Voraussetzungen
Obschon die jüngste Debatte ihren Ursprung im anglo-amerikanischen Raum gehabt hat, liegen mittlerweile die meisten Texte, zumindest in Auszügen, auf Deutsch vor und können als Haupttexte verwendet werden. Eine gewisse Bereitschaft zur Lektüre weiterführender englischsprachiger Texte wäre allerdings, auch mit Blick auf die Seminararbeiten, wünschenswert. Die Bereitschaft, sich in die Debatten einzubringen, ist notwendig.
Qualifikation
Voraussetzung für einen qualifizierten Seminarschein sind neben der regelmäßigen Teilnahme an den Sitzungen die Kooperation bei einer Einbettung und die Partizipation an den Debatten. Zudem ist eine thematisch im Vorfeld mit mir bitte abzustimmende Seminararbeit im Umfang von ca. 16.800–24.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen, Fußnoten und Literaturverzeichnis) zu schreiben.
Literatur
Als Einführung soll dienen ein Auszug aus der Einführung zum Sammelband Tierethik (Berlin 2014) von Friederike Schmitz; vgl. pdf. Eine sinnvolle und zugleich unterhaltsame Heranführung an das Thema kann zudem die Tanner Lecture von J. M. Coetzee "The Lives of Animals" darstellen (http://tannerlectures.utah.edu/_documents/a-to-z/c/Coetzee99.pdf).
Die Seminarlektüre wird im Dialogportal und im Semesterapparat zur Verfügung gestellt.