München, 2.5.2016 (HfPh) Der Wirtschaftsethiker Johannes Wallacher sieht in der Veröffentlichung des TTIP-Verfahrenstands eine Chance für eine reflektierte Debatte. „Von einer konstruktiven Diskussion kann aktuell weder auf Seiten der Befürworter noch auf Seiten der Gegner die Rede sein“, kritisiert der Präsident der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München. „Auf der einen Seite werden wirtschaftliche Interessen überhöht, während auf der anderen Seite die Ängste vor einem Absenken bestehender Standards alles andere dominieren“, stellt der Professor für Sozialwissenschaften und Wirtschaftsethik fest, der als Teil eines vierköpfigen Expertenkreises im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz die Studie „Gerechte Regeln für den freien Handel“ zu TTIP erarbeitet hat.
Wie Wallacher hervorhebt, machen die Papiere durch die nun öffentliche Abbildung des Verfahrensstands deutlich, „wie massiv in den Verhandlungen Partikularinteressen einzelner Wirtschaftszweige vertreten werden“. Dass in vielen Punkten noch Uneinigkeit zwischen der EU und den USA herrsche, zeige aber den großen Verhandlungsspielraum. „Diesen muss die EU im Sinne der Verbraucher nun nutzen“, fordert der Wissenschaftler. Äußerst kritisch sieht er aber auch, „wie die USA in der deutschen Öffentlichkeit häufig zu einem übermächtigen Gegenüber hochstilisiert werden“. „Solche Ängste zu schüren, birgt die Gefahr, Nationalisten in die Hände zu spielen“, warnt er.
Wallacher zufolge könnten die TTIP-Verhandlungen auch die Chance bieten, weltweit Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz zu verbessern. „Wenn es gelingt, dass sich beide Seiten auf die jeweils höheren Schutzniveaus verständigen, hätte das Signalwirkung für eine bessere Ordnung des gesamten Welthandels“, stellt er klar. Das spiele in der Debatte bislang zu Unrecht kaum eine Rolle.
Die Studie „Gerechte Regeln für den freien Handel“ stellt die Deutsche Bischofskonferenz unter www.dbk-shop.de/de/gerechte-regeln-freien-handel.html kostenlos als PDF zur Verfügung.