München, 17.12.2014 (HfPh) Eine offene Auseinandersetzung mit den Behauptungen der islamophoben Demonstranten in Dresden und anderen Städten fordert der Inhaber des bislang einzigen philosophischen Lehrstuhls für Völkerverständigung in Deutschland, Michael Reder. „Die Politiker müssen die überwiegend irrealen Ängste vor einer angeblichen ‚Islamisierung des Abendlandes‘ mit rationalen Argumenten entkräften“, sagt der an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München lehrende Professor. Wenn bei den Kundgebungen etwa von „Massenzuwanderung“ und „radikal-religiöser Unterwanderung“ die Rede sei, müsse man dem Fakten entgegenhalten, betont er.
Die auf den Demonstrationen vorgetragenen islamophoben Ängste und Forderungen sind Reder zufolge nicht neu. „Es ist gut für unsere demokratische Gesellschaft, dass sie nun öffentlich werden“, ist er überzeugt. Gleichzeitig sieht er das unreflektierte Gebaren der Demonstranten und Organisatoren aber äußerst kritisch. „Nur wenn sie ihre Forderungen offen formulieren, können wir die Anhänger von der Realitätsferne ihrer Befürchtungen überzeugen“, stellt der Sozialphilosoph klar. So fliehe etwa die überwiegende Mehrheit der in Deutschland Schutzsuchenden Muslime vor einem in ihren Heimatländern erstarkenden Islamismus. „Es ist irrwitzig, diese Menschen für religiöse Fanatiker zu halten“, kritisiert er.
„Ohne die vorgebrachten Behauptungen mit Tatsachen belegen zu können, werden unter anderem mit Formulierungen wie ‚die Moslems‘ oder ‚die Zuwanderer‘ Ängste geschürt“, macht Reder deutlich. „Diese Verallgemeinerungen werden weder den Menschen noch der Situation gerecht.“ Der Lehrstuhl für Praktische Philosophie mit Schwerpunkt Völkerverständigung, den Reder leitet, setzt sich mit Hilfe philosophischer Überlegungen für stärkere Differenzierungen ein. „Politische Auseinandersetzungen tun gut daran, solche Differenzierungen ernst zu nehmen, wenn sie nicht in einfache Pauschalisierungen verfallen wollen“, so der Lehrstuhlinhaber.
Mit seinem Eintreten für eine radikal offene Diskussion mit den Demonstranten greift Reder eine aktuelle Debatte der Politischen Philosophie auf. Eine Reihe von Denkern vertritt hierbei die Ansicht, dass das aktuelle politische System zu stark auf Konsens setzt. „Wir brauchen eine gesunde demokratische Streitkultur, um unreflektierte, ausgrenzende und demokratiefeindliche Positionen zu schwächen“, sagt Reder. Erst durch eine solche Streitkultur ist eine konstruktive Bearbeitung gesellschaftlicher Fragen möglich.
Professor Reder steht gerne für Interviews zur Verfügung. Anfragen richten Sie bitte direkt an: michael.reder@hfph.de.