Aachen/München, 6. Juni 2013 (HfPh/MISEREOR) Aus Anlass der Vorlage des Abschlussberichts der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ im Deutschen Bundestag fordern Wissenschaftler und das Aachener Hilfswerk für Entwicklungszusammenarbeit MISEREOR mutige politische Schritte zu einem Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Michael Reder, Professor an der Hochschule für Philosophie München und Mitarbeiter am dort ansässigen Institut für Gesellschaftspolitik (IGP), begrüßt zwar die Abkehr vom bisherigen einseitig ökonomischen Wohlstandsverständnis als „mutigen ersten Schritt“. „Aber auch die ethischen Fragen des Zusammenlebens müssen angesprochen werden; das hat die Kommission vernachlässigt“, betont er.
Der Inhaber des Lehrstuhls für praktische Philosophie mit Schwerpunkt Völkerverständigung leitet das internationale Forschungsprojekt „Entwicklung im Dienst des Weltgemeinwohls“, das vom IGP und MISEREOR gemeinsam durchgeführt wird. Angesichts globaler ökologischer und sozialer Herausforderungen arbeitet das Forschungsprojekt an einem neuen interkulturellen Gemeinwohlverständnis.
Eine ethische Begründung von Wohlstand und Lebensqualität, wie sie das Forschungsprojekt fordert, muss Reder zufolge insbesondere zwei Gesichtspunkte beachten: „Erstens gilt es, nicht nur über die Lebensqualität in Ländern mit hohem Einkommen nachzudenken, sondern insbesondere die Situation in Ländern mit großen Armutsproblemen stärker zu beachten“, macht Reder deutlich. „Zweitens ist ein grundlegender Wandel nur möglich, wenn die Potenziale der verschiedenen Kulturen weltweit mit einbezogen werden.“
Bernd Bornhorst, Leiter der Abteilung Entwicklungspolitik bei MISEREOR, hebt die Bedeutung der Abkehr von einer einseitigen Orientierung am Wirtschaftswachstum ebenfalls hervor: „Das Wirtschaftswachstum zum entscheidenden Kriterium für erfolgreiche Politik zu machen, ist ein schwerer Fehler gewesen, der bis heute viele Politiker und Wirtschaftsvertreter blind macht für die damit verbundenen gravierenden ökologischen und sozialen Schäden, unter denen vor allem die Menschen in den Entwicklungsländern leiden.“ Deshalb sei es wichtig, dass eine parlamentarische Kommission diese Monopolstellung des Wirtschaftswachstums korrigiert. „Was jetzt nötig ist, sind mutige Weichenstellungen, die den Wandel zu sozial und ökologisch verträglichen Lebensmodellen in unserer Gesellschaft und weltweit voranbringen“, so Bornhorst.
Als einen Beitrag dazu versteht die Forschungsgruppe „Entwicklung im Dienst des Weltgemeinwohls“ ihre interkulturelle Arbeit an einem tragfähigen Gemeinwohlverständnis. Im Spätsommer dieses Jahres sollen erste Ergebnisse vorliegen.