Grausame Bilder in der Berichterstattung: Was ist zu viel, was ist zu wenig?

Getötete Zivilist*innen mitten auf der Straße. Männer, Frauen und Jugendliche. Manchen wurden sogar die Hände geknebelt. Unerträgliche und grausame Bilder aus Butscha in der Ukraine. Diese und ähnliche Bilder sind seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine immer wieder in den Medien zu sehen. Doch wieviel Grausamkeit darf gezeigt werden? Darf der Krieg so gezeigt werden? Wieviel kann das Publikum in Deutschland vertragen und ertragen? Diese und weitere Fragen standen im Vordergrund der Kooperationsveranstaltung „Der Ukraine-Krieg: Medienethik im Fokus“ zwischen der Universität der Bundeswehr München (UniBw M) und der Hochschule für Philosophie München (HFPH) am 07. Juni 2022. Kooperationspartner waren ferner das Zentrum für Digitalisierungs- und Technologie-forschung der Bundeswehr (dtec.bw) und das Zentrum für Ethik der Medien und der Digitalen Gesellschaft (zem::dg).

v.l.n.r.: Frauke Ihnen-Beilhack, Dr. Susanne Glass, Prof. Dr. Sonja Ketzschmar; Copyright: HFPH/ L. Jaskolla

Bei der Podiumsdiskussion saßen für die UniBW M Prof. Sonja Kretzschmar, Professin für Innovation im Journalismus, und für die HFPH Prof. Claudia Paganini, Professorin für Medienethik, auf dem Podium. Als Vertreterin der journalistischen Praxis bereicherte Dr. Susanne Glass vom Bayerischen Rundfunk (BR) das Podium. Dr. Glass ist aktuell stellvertretende Redaktionsleiterin Ausland und politscher Hintergrund beim BR. Sie war zuvor viele Jahre Auslandskorrespondentin und erlebte zahlreiche Konflikte und Kriege hautnah. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Frauke Ihnen-Beilhack von der Universität der Bundeswehr München.

Unterschiedliche Berichterstattung zu Butscha

Zu Beginn der Veranstaltung wurde als Diskussionsgrundlage die Berichterstattung von Bild TV und Arte zu den Gräueltaten von Butscha gezeigt. Es wurde klar, dass unterschiedliche Medien auch eine andere Herangehensweise an die Berichterstattung wählen. Von direkt und deutlich bis zu abgemildert und indirekt. Damit startete auch die erste grundsätzliche Frage an die Podiumsteilnehmer*innen, was darf an Grausamkeiten gezeigt werden? „Man soll den Krieg nicht schönen“, war die Meinung von Prof. Paganini. „Aber auch Opfer haben Persönlichkeitsrechte“, fügte sie hinzu. Das verpixeln der Gesichter sei das mindeste. Für Prof. Paganini waren die Bilder der Opfer von Butscha sehr an der Grenze der Entwürdigung. „So schwer es fällt, müssen die Medien mit schrecklichen Bildern bestmöglich umgehen. Sie müssen auch entsprechend eingeordnet werden“, erklärte Prof. Kretzschmar.

Diskussion in den Redaktionen

„Sie glauben gar nicht, wieviel Diskussionen es in den Redaktionen zu jedem einzelnen Bild gibt. Etwa zu dem Bild der verletzten Schwangeren in Mariupol. Da gehen auch in den Redaktionen die Meinungen auseinander. Es gibt leider auch den Voyeurismus. Und das finde ich sehr fragwürdig“, so Dr. Glass. Prof. Paganini gab zu bedenken, dass durch grausame Bilder beim Publikum auch psychologische Probleme entstehen könnten. „Auch Journalist*innen und Cutter*innen müssen sich vor diesen schrecklichen Bildern schützen“, fügte Dr. Glass hinzu. „Gibt es etwa für die Auslandskorrespondent*innen eine Fürsorge? Das müssen die Arbeitgeber*innen im Blick haben“, ergänzte Prof. Kretzschmar. „Letztlich entscheiden die Reaktionen über das Zeigen der Kriegsbilder. Die Themenkarriere kann jedoch nicht dauerhaft gehalten werden“, erklärte Prof. Kretzschmar.

Eine weitere Frage der Diskussion war es, wie Bilder auf Echtheit geprüft werden können. „Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Das stimmt leider so. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass alle Kriegsparteien immer auch ihre eigene Medienzensur haben. Es gibt aber viele technische Methoden, um die Echtheit von Fotos zu prüfen“, so Dr. Glass.

Was kann Friedensjournalismus leisten?

Im letzten Frageblock wurde der Friedensjournalismus intensiv diskutiert auch unter Einbeziehung des Publikums. „Friedensjournalismus setzt vor dem Krieg ein. Im Krieg selbst ist das nicht möglich. Der Journalismus ist aber gefordert, den Prozess zum Frieden zu begleiten“, erklärte Prof. Kretzschmar ihre Perspektive.

Krieg darf nicht geschönt werden, es sollten aber auch Bilder der Hoffnung gezeigt werden. Darin waren sich die Podiumsteilnehmer*innen einig.

 

Das Video zur Veranstaltung