Die philosophische Frage nach der Demokratie nach Trumps Wiederwahl — ein Kommentar von Prof. Dr. Michael Reder

Am 06. November 2024 fanden die Präsidentschaftswahlen in den USA statt. Der Republikaner Donald Trump setzte sich gegen Kamala Harris durch und wird damit erneut Präsident der Vereinigten Staaten. Trump sicherte sich die Mehrheit der Wahlleute, darunter wichtige Swing States wie Michigan und Wisconsin. Was bedeutet Trumps Wahlsieg für die Demokratie? In seinem Kommentar zu Trumps Wiederwahl geht Prof. Dr. Michael Reder, Professor für Praktische Philosophie an der HFPH, der Frage nach der Demokratie aus philosophischer Perspektive nach.

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Die Philosophie kennt in ihrer Geschichte viele Modelle von Demokratie: Sie wird als institutionelles Gefüge von Rechten, als deliberativer Kommunikationsprozess oder auch als Streit unter Gegnern verstanden. Die politische Realität in den USA steht in Widerspruch zu fast allen diesen Modellen. Denn Trump negiert etwas, was alle philosophischen Demokratietheorien trotz ihrer Unterschiedlichkeit teilen: nämlich die grundlegende Haltung, Unterschiede – sei es zwischen Menschen, Meinungen oder Lebensentwürfen – als fundamentales Merkmal und als Motor der Demokratie zu verstehen. Trumps populistische und auf Ausgrenzung und Hass abzielende Politik fordert das philosophische Nachdenken über Demokratie bis an ein schwer vorstellbares Limit heraus.

Die Demokratie ist in philosophischer Hinsicht allerdings die einzige politische Herrschaftsform, die mit solchen Entwicklungen rechnet. Denn sie versteht auch ihre fundamentalen Kritiker und Gegner als Teil ihrer selbst. Es können auch diejenigen gewählt werden, die die Grundlagen der Demokratie massiv in Frage stellen oder gar negieren. Deshalb können Politiker wie Trump demokratisch gewählt werden, obwohl das schwer auszuhalten ist.

Alle philosophischen Demokratietheorien sind sich aber auch einig, dass der Demokratie eine enorme Widerstandskraft innewohnt. Sie ist auch von denen nicht so leicht aus den Angeln zu heben, die sie überwinden wollen. Eben weil sie ihre Kritiker und Gegner in Prozessen der Aushandlung, der Kommunikation oder des kultivierten Streits verwickelt und ihnen vitale demokratische Praktiken und robuste Institutionen gegenüberstellt. Die politischen Entwicklungen der nächsten Jahre werden zeigen, ob diese demokratische Annahme über die Widerstandkraft der Demokratie der Realität Stand hält. Aus der heutigen Sicht erscheint es offen. Die Philosophie als Reflexion des Politischen, kann das ihre zu der kritischen Reflexion dieser Entwicklung beitragen. Das philosophische Nachdenken über Demokratie und die Kritik politischer Praxis ist wichtiger denn je.

— Prof. Dr. Michael Reder

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