Elke Schmitter studierte in den 1980er-Jahren an der HFPH und schloss ihr Studium mit dem Magistergrad ab. Seitdem war sie als Journalistin für die taz, Die Zeit und die Süddeutsche Zeitung tätig. Seit 2001 schreibt sie für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel.
Sie studierten direkt nach dem Abitur Philosophie. Wie kamen Sie nach Ihrem Magister zum Journalismus?
Zufall, Bestimmung, Langeweile: eine Mischung aus diesen Faktoren. Meine erste Arbeitsstelle nach dem Philosophiestudium war im Lektorat der S. Fischer Verlage in Frankfurt am Main, wo ich vor allem Übersetzungen aus dem Englischen bearbeitet habe. Nach drei Jahren dämmerte mir, dass der Rhythmus nicht der meine ist – Lektorat heißt: große Amplituden, Zeitverzögerung, geduldige Arbeit an Texten, die man oft nicht wirklich verbessern kann. Ich schrieb nebenher Buchrezensionen, und als eine Feuilletonstelle bei der „taz“ in Berlin ausgeschrieben wurde, bewarb ich mich und ging nach Berlin.
Einige Jahre zuvor, Anfang der 1980er-Jahre, hatten Sie sich an der HFPH eingeschrieben. Wie blicken Sie heute auf Ihr Studium zurück?
Es war konzis, anregend und gut organisiert. Keine Mitbestimmung, was auch eine Entlastung war; im Grunde eine Fortsetzung der Schule, nur anspruchsvoller in den Aufgaben. Ohne einen privat organisierten Arbeitskreis hätte ich mich allerdings nicht wohlgefühlt. Die institutionelle und auch geistige Fremdheit – ich bin religiös unmusikalisch, wie Max Weber so schön formulierte – hat mich eher stimuliert als deprimiert. Es gab allerdings keinerlei Beratung und kein erkennbares Interesse an Student*innen wie mir. Insofern war es sicher kein Zufall, dass ich eine akademische Profession gar nicht erst in Betracht gezogen habe.
Sie sind inzwischen eine erfolgreiche Journalistin und Schriftstellerin. Inwieweit beeinflusst die Philosophie Sie noch heute in Ihrer Arbeit?
Inzwischen denke ich, dass jedes geisteswissenschaftliche Studium denselben guten Effekt hat (wenn es einigermaßen gelingt): Man lernt, Schwurbel von Gedanken zu unterscheiden; Rhetorik zu üben, ohne sie zu überschätzen; man gewinnt ein auch intuitives Unterscheidungsvermögen für Texte. Und die Philosophie ist eine gute Übung, Einstellungen und Gedanken mit historischem oder systematischem Abstand zu betrachten; sie trainiert ein Meta-Bewusstsein auch für das eigene Bewusstsein.
2017 schrieben Sie zusammen mit vier anderen Journalistinnen: „Wer die Demokratie liebt, muss jetzt für sie kämpfen.“ Was können junge Philosoph*innen zu diesem Kampf beitragen?
Vieles. Alles. Je älter ich werde, umso deutlicher wird mir: Es werden dieselben Schlachten immer wieder geschlagen. Emanzipation, Teilhabe, die Gewaltfrage: All das dreht immer wieder neue Runden. Endgültigen Fortschritt im abstrakten Denken gibt es nicht, aber zeitgenössische Überraschungen, die produktiv werden können. Die Demokratiekonzepte vergangener Zeiten helfen eben nicht, z. B., wenn ganz neue Medien das gesellschaftliche Bewusstsein organisieren. Und die Ethik ist derzeit vor Herausforderungen gestellt, die es vor zwanzig Jahren nicht gab. Fühlt euch wichtig – ihr seid es!
Viele Philosophiestudierende denken über eine Zukunft im Journalismus nach. Was würden Sie jungen Philosoph*innen auf diesem Weg raten?
Praxis. Durchhaltevermögen. Standbein- und Spielbein-Vergnügen. Arbeit in Institutionen und außerhalb aller Institutionen. Vorbilder lieben, ohne sie zu glorifizieren. Zur Kenntnisnahme neurowissenschaftlicher Fortschritte, wie Bewusstsein und Erkenntnis sich individuell und gesellschaftlich bilden.
Wir sind – an der Weltgemeinschaft gemessen – unendlich privilegiert. Weltoffenheit, Reisen hilft, auch Tätigkeit in fremden Feldern: Um nicht nur zu begreifen, sondern auch immer wieder zu erfahren – und die Erfahrung zu üben –, dass unsere Weise, auf die Welt zu sehen, nur eine unter vielen ist. Die Medien ächzen; es ist eine Transformation im Gange, die wohl nur mit der Gutenberg-Revolution zu vergleichen ist. Es gibt kommodere Arbeitsplätze, aber kaum ein Subsystem, das so sehr kluger und konstruktiver Leute bedarf!