"Es gibt keine falschen Fragen"

Alumni der Hochschule für Philosophie München arbeiten erfolgreich in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, Kultur und Kirche. In der Reihe „Alumni im Porträt“ sprechen wir mit ausgewählten Persönlichkeiten über ihre Zeit in der Kaulbachstraße und ihre heutigen Aufgaben. Wir setzen unsere Interviewreihe mit der Journalistin Geli Schmaus fort.

Geli Schmaus ist Journalistin des Bayerischen Rundfunks und Mediencoach bei der Stiftung Zuhören. Sie ist Reporterin und Moderatorin für radioMikro, moderiert die Münchner Kinderuni, begleitet zahlreiche Radioprojekte an Schulen und gibt Fortbildungen für Lehrkräfte, Erzieherinnen u. a.

 

Sie wollten eigentlich Juristin werden. Wie kamen Sie zur Philosophie und später zum Journalismus?

Die Auseinandersetzung mit Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit und dem menschlichen Umgang damit führte mich als Jugendliche auf Demonstrationen und als junge Erwachsene schließlich fast zum Jurastudium. Im Studium der Sozialen Arbeit bin ich, z. B. in der Arbeit mit obdachlosen Frauen, mit der oftmals schonungslosen Realität dieser Themen in Berührung gekommen. In meiner Arbeit in der Erwachsenenbildung bin ich dann, sowohl in menschlichen Begegnungen als auch in Fragestellungen, immer wieder auf philosophische Themen gestoßen. Und natürlich stellt sich auch die Münchner Kinderuni, die ich als Journalistin jahrelang begleiten durfte, die großen Fragen! Der öffentlich-rechtliche Hörfunksender, für den ich seit über 20 Jahren arbeite, hat sich der ernsthaften und authentischen Beschäftigung mit Themen und den Menschen dahinter verschrieben. Wir versuchen, hinter die Kulissen zu schauen, tiefergehende Fragen zu beantworten, unterschiedliche Perspektiven zu sehen und in den Redaktionen eine gute Debatte zu führen – so wie ich es auch an der HFPH zu schätzen gelernt habe.

 

Wie blicken Sie heute auf Ihr Studium an der Hochschule zurück?

Mein Studium an der HFPH liegt nun fast 25 Jahre zurück – und ich erinnere mich trotzdem noch genau an Vieles: An den Innenhof, in dem wir viele Stunden spannende Gespräche führten. An die Pizza beim Italiener, der quasi zur Hochschule gehörte. An das gemeinsame Lernen, das häufig Philosophieren und Diskutieren war. An die vielen netten Kommiliton*innen aus den unterschiedlichsten Zusammenhängen, alle mit Berufserfahrung, alle mit Lebensgeschichten. Und natürlich erinnere ich mich an einzelne tolle Lehr- und Lernsituationen. Obwohl ich als (der Begriff war damals noch recht klar umrissen) Feministin in einer Welt männlicher Lehrender gelandet war, waren es ausnahmslos beeindruckend kluge und menschenfreundliche Professoren, die sich auf Augenhöhe anhörten, was wir Studierenden zu sagen hatten, die zuhörten, was wir dachten, die wissen wollten, warum wir so dachten. Ich erinnere mich auch an Vorlesungen, in denen mir Thesen zu fern waren, zu komplex – aber am Ende fanden wir doch immer wieder einen Bezug zu dem, was ist. Was mir dort viel für meine berufliche Haltung gebracht hat: Es geht nicht um blick-verengtes Fachwissen, sondern um einen geöffneten Blick aufs ganze Denken, um die echte Auseinandersetzung.

 

Inwieweit beeinflusst die Philosophie Sie noch heute in Ihrer Arbeit als Mediencoach und Journalistin?

Im Wesentlichen geht es um die Herangehensweise. Als Journalistin will ich Themen ganzheitlich sehen, aus verschiedenen Perspektiven spiegeln. Auch aus denen, die ich vielleicht nicht sehen möchte. Die Philosophie hilft mir, schnell zu erkennen, wo Leeres nach Aufsehen schreit oder Ehrliches sich leise anbietet. Sie hilft mir, Dinge umfassender und systematischer zu beleuchten, zu differenzieren. Mit ihrer Hilfe schafft man auch, sich selbst kritischer wahrzunehmen. Als Mediencoach möchte ich Kinder und Jugendliche unterstützen, die Neuen Medien, so lustig, schnell und reizvoll sie sind, kritisch zu hinterfragen. Die Neuen Medien bergen, für alt und jung, ganz neue Herausforderungen und Fallen. Gleichzeitig möchte ich Kinder und Jugendliche ermutigen, dort aktiv und produktiv zu werden. „Die Jugend“ soll sich abbilden, sich zeigen, aktiv werden, sich positionieren, ihre Meinung zum Ausdruck bringen, in den Diskurs treten - auf Augenhöhe.

 

Sie arbeiten im Rahmen von radioMikro viel mit Kindern zusammen. Begegnen Sie dort auch philosophischen Themen? Inwieweit haben Sie das Gefühl, dass auch schon die Jüngsten Interesse an den großen Fragen haben?

In meinen Interviews und Reportagen zu unterschiedlichen Themen und in den Coachings mit Schüler*innen geht es oft nicht nur um „typische“ Kinderthemen. Häufig drehen sie diese Themen weiter oder wir kommen gemeinsam im Gespräch auf die großen Fragen, die uns auch als Erwachsene umtreiben: Warum gibt es uns Menschen und wie ist das eigentlich mit dem lieben Gott? Was ist der Sinn des Lebens? Warum ist das Böse in der Welt, wieso ist da nicht „einfach“ Frieden? In unserer Wissensgesellschaft ist Kindern schon sehr früh Wissen zugänglich, scheint eine große Rolle zu spielen. In den Gesprächen scheint mir oft wichtiger, dass sie sich in Beziehung zu anderen Menschen, zur Natur, zu Familie und Freunden wiederfinden können. Gemeinsam mit den Kindern den großen Fragen zu folgen und mit Antworten, vor allem wenn es keine eindeutigen zu geben scheint, zu spielen – also eigentlich zu philosophieren, finde ich großartig. An der HFPH ist mir vor 25 Jahren zum ersten Mal bewusst die Aussage, die Kinder in der Schule leider zu selten hören, begegnet: „Es gibt keine falschen Fragen.“ Das versuche ich, an Kinder weiterzugeben.

 

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