Der Philosophische Meisterkurs der Hochschule für Philosophie und der Katholischen Akademie in Bayern bot Studierende, Promovenden und Habiltanden die Chance, der britischen Philosophin Prof. Dr. Onora O'Neill (Cambridge) im wissenschaftlichen Diskurs zu begegnen. Intensiv beschäftigte sich der Kurs drei Tage lang mit allen Facetten des Denkens der Schülerin von John Rawls, die zu den weltweit renommiertesten zeitgenössischen Denkerinnen zählt. In einem öffentlichen Abendvortrag zum Thema „Toleranz versus Recht auf freie Meinungsäußerung“ warnte die Wissenschaftlerin davor, zu einseitig die Rechte des Einzelnen zu betonen, dadurch die Pflicht zur Toleranz zu vernachlässigen und letztlich Vertrauen in die Gesellschaft zu unterminieren. In der Mediathek der Katholischen Akademie können Sie den Vortrag nun online nachhören.
Bericht von Cécile Huber
„Some philosophers are more interesting than their arguments.“ – Dies trifft sicherlich nicht auf Onora O’Neill zu, ebenso wenig wie das Gegenteil; eher schon die Konjunktion: Der Philosophische Meisterkurs der Hochschule für Philosophie und der Katholischen Akademie in Bayern mit der britischen Philosophin bot die Chance, sie sowohl als herausragende Persönlichkeit wie auch als brillante Denkerin zu erleben.
Auf Einladung von Dr. Andreas Trampota war die Schülerin von John Rawls vom 18. bis 20. März 2014 nach München ins Kardinal Wendel Haus gekommen. Sechzehn Teilnehmer widmeten sich in acht Einheiten mit Kurzvorträgen verschiedenen Aspekten von O’Neills Schaffen. Jedem Vortrag folgte eine ausgesprochen angeregte Diskussion inklusive einer Erwiderung durch Onora O’Neill selbst.
Neben weiteren interessanten Beiträgen sprach man gemeinsam unter anderem über die Feinheiten der verschiedenen Formulierungen des Kategorischen Imperativs, Kants Autonomiebegriff oder den „Heiligen des Evangelii“ im Zusammenhang mit dem christlichen Nachfolgegedanken. Ein weit gefächertes Spektrum an Themen und Gedanken der Teilnehmer durchzog den gesamten Meisterkurs durchzog und prägte ihn.
Ergänzt wurde der Meisterkurs durch einen öffentlichen Abendvortrag zum Thema „Toleranz versus Recht auf freie Meinungsäußerung“ und ein Kamingespräch. Letzteres, der heimliche Höhepunkt des Meisterkurses, war begleitet von einem Interview für die Zeitschrift Information Philosophie und ermöglichte es nicht nur, viele Aspekte von O’Neills Werk zu beleuchten; auch tagespolitische Felder, wie die Datenspeicherung der NSA, wurden angesprochen, sodass insgesamt ein sehr rundes Gesamtbild entstand. Beeindruckend war, wie Onora O’Neill es schafft, durch ihren Sitz im House of Lords und viele weitere Engagements wie etwa seit jüngstem als Vorsitzende der Equality and Human Rights Commission gerade politische Fragestellungen und Philosophie prägnant zu verbinden.
Die Begegnung mit einer der bedeutendsten zeitgenössischen Denkerinnen, O’Neills vorzügliche Kenntnis Kants und ihr breiter, mehr als nur philosophischer, Blickwinkel waren in höchstem Maße spannend und anregend.