HFPH -Studentin Laura-Marie Baumgartner berichtet von ihrer Zeit als Fellow des Global Citizen Fellowship Program auf der IAJU Assembly 2025 in Bogotá:
Im Verlauf des letzten halben Jahres hatte ich das Privileg, Teil der diesjährigen Kohorte des Global Citizenship Fellowship am Berkley Center for Religion, Peace & World Affairs der Georgetown University zu sein. Das Global Citizenship Fellowship 2024/25 vereinte 11 ausgewählte Studierende aus 10 jesuitischen Universitäten in 9 Ländern (USA, Philippinen, Indien, Mexiko, Myanmar, Guatemala, Madagaskar, Japan, Deutschland). Wir wurden aus vielen Bewerbungen ausgewählt, nachdem wir im Herbst 2024 ein Modul des Global Citizenship Curriculum absolviert hatten. Ab März 2025 tauschten wir uns monatlich virtuell über die Bedeutung von Global Citizenship aus und entwickelten Kompetenzen für interkulturellen Dialog und Führung. Den Abschluss bildete eine vertiefende Studienreise aller Fellows nach Bogotá, Kolumbien im Rahmen der IAJU International Assembly.
Die Konferenzen der International Association of Jesuit Universities (IAJU) dienen dem weltweiten Austausch zwischen jesuitischen Hochschulen. Sie finden alle drei Jahre statt und bieten eine Plattform, um gemeinsame Herausforderungen zu diskutieren, voneinander zu lernen und globale Projekte in Forschung, Lehre und sozialem Engagement zu entwickeln. Ziel ist es, die Werte der jesuitischen Bildung – wie soziale Gerechtigkeit, interkultureller Dialog und ganzheitliche Bildung – in einer zunehmend vernetzten Welt gemeinsam voranzubringen.
Das Motto der diesjährigen Versammlung lautete „Our Mission in Challenging Times. Let´s Write the Next Chapter of Jesuit Higher Education History“.
In der ignatianischen Tradition begann jeder Konferenztag mit einer gemeinsamen Meditation. Jemand führte Gebete und geistliche Impulse, während alle Anwesenden eingeladen waren, mitzudenken und -beten. In Stille konnte man beispielsweise über die Frage „Was bedeutet es für dich, mit Gott im selben Boot zu sein?“ oder „Welche Schreie – und wessen – begleiten die Stürme, die du in dieser Zeit wahrnimmst?“ reflektieren. Auf den ersten Blick mag dies im Rahmen einer Konferenz etwas ungewöhnlich wirken, doch schon bald erwies es sich als eine unerwartet berührende und bereichernde Erfahrung. Auch die Abende hatten eine geistliche Dimension: Sie endeten mit gemeinsamen Gottesdiensten, die Raum für Besinnung und spirituelle Verbundenheit boten.
Leuchttürme der Hoffnung: die internationalen jesuitischen Hochschulen
In seiner Rede auf der diesjährigen IAJU-Konferenz in Bogotá hat Father General Arturo Sosa, dem derzeitigen Generaloberen des Jesuitenordens, eindrücklich daran erinnert, wie wichtig es ist, dass jesuitische Hochschulen heute als „Leuchttürme der Hoffnung“ in einer von Unsicherheiten und Herausforderungen geprägten Welt wirken. Er thematisierte die Fragilität der menschlichen Person und sprach über drängende Themen wie Populismus, Polarisierung, den Umgang mit neuen Technologien und die ökologische Krise – und wie jesuitische Universitäten als Bildungseinrichtungen dazu beitragen können, junge Menschen zu befähigen, diese Herausforderungen mutig und verantwortungsvoll anzugehen. Besonders wichtig war ihm, dass die ignatianische Identität nicht nur bewahrt, sondern aktiv gelebt wird – durch Solidarität, Gerechtigkeit und den offenen Dialog mit anderen Kulturen und Glaubensrichtungen. Seine Worte waren ermutigend, die gemeinsame Verantwortung für eine gerechtere und hoffnungsvollere Zukunft anzunehmen und die jesuitische Bildung mit Kreativität, Offenheit und Engagement weiterzuentwickeln.

Folgende Plenarsitzungen standen auf dem Programm und behandelten die wichtigsten Themen:
- Welcome & Introducing the Theme
- Students`Well-Being: Helping the Youth for a Hope-Filled Future
- The Challenges of Seculiarism: Impacts on Catholic/Jesuit Higher Education´s Mission
- Artificial Intelligence: Benefits and Challenges
- Migration, Refugees and Those on the Frontier: Best Practices and Collaborations
- Environmental Justice: Responding to the Cry of the Earth and Cry of the Poor
Die Plenarsitzungen waren so konzipiert, dass je ein Panel mit Vertretern aus allen Weltregionen auf der Bühne zusammenkam, um das jeweilige Thema aus ihrer regionalen Perspektive zu beleuchten. Im Anschluss daran gab es die Möglichkeit Fragen zu stellen und Diskussionen anzuregen. Jedes Panel für sich hatte viele lehrreiche Botschaften und die Schwierigkeit besteht für mich jetzt darin, diese für diesen Bericht zu kürzen. Gerne möchte ich an dieser Stelle die Anregung aussprechen, sich genauer mit den aufgearbeiteten Inhalten und zentralen Empfehlungen auf der Website auseinanderzusetzen:
Globale Herausforderungen und ihre Lösungen
Jesuitische Hochschulen weltweit stehen in der Verantwortung, nicht nur auf globale Herausforderungen zu reagieren, sondern aktiv an Lösungen mitzuarbeiten. In den Bereichen Umweltgerechtigkeit, Migration, künstliche Intelligenz, mentale Gesundheit und säkulare Gesellschaften wurden konkrete Handlungsfelder benannt. Hochschulen sollen etwa stärker in die Lage versetzt werden, ihre ökologische Wirkung systematisch zu erfassen, beispielsweise durch Instrumente wie ein Eco-Social-Inventar, und daraus institutionelle Veränderungsprozesse abzuleiten. Im Bereich Migration wurde dazu aufgerufen, Geflüchteten nicht nur punktuell, sondern strukturell und langfristig Bildungszugänge zu eröffnen. Der Umgang mit KI erfordert neue Leitlinien, die technologische Innovation mit ethischer Verantwortung verbinden. Auch das mentale und spirituelle Wohl von Studierenden wurde als zentrale Aufgabe gesehen: Hochschulen sollen Räume schaffen, in denen junge Menschen wachsen können; nicht nur akademisch, sondern auch persönlich. Die Idee zu verpflichtenden Modulen zu Global Citizenship, Ökologie und Gesundheit waren ebenso in der Diskussion. Insgesamt ruft die Konferenz dazu auf, jesuitische Bildung als transformative Kraft zu verstehen im tiefen Bewusstsein für globale Gerechtigkeit.
Als Global Citizenship Gruppe konnten wir uns immer wieder Zeit für eigene Seminareinheiten und gemeinsame Reflexion nehmen. Diese geschützten Momente stärkten nicht nur den inhaltlichen Austausch, sondern ließen uns noch enger zusammenwachsen. Ein Highlight war dabei die Stadttour durch Bogotá, die uns faszinierende Einblicke in die pulsierende Hauptstadt Kolumbiens bot. Zwischen kolonialer Architektur und modernen Vierteln entdeckten wir das lebendige Zusammenspiel von Geschichte, Kultur und Alltag. Die farbenfrohen Straßenkunstwerke, kleinen Cafés und lebhaften Märkte haben ihren ganz eigenen Charme. Ein besonderes Erlebnis war der Ausflug zum Monserrate, von dessen Gipfel wir einen atemberaubenden Blick über Bogotá, gelegen in den Anden, und die umliegende Landschaft genießen konnten.

Mehr Dialog wagen
Auch den Parallelsitzungen und Diskussionen in den regionalen Netzwerken durften wir beisitzen. Die Atmosphäre war dort aufgrund der kleineren Gruppengröße vertrauter und es war spannend zu hören, wo regionale Schwerpunkte gesetzt wurden und wie miteinander diskutiert wurde. In der Gruppe Asia-Pacific wurde beispielsweise über das Bedürfnis eines erneuerten Dialogs zwischen Glauben und Wissenschaft gesprochen und folgendes Zitat geäußert, das mir im Ohr blieb: „In a world of monologues we need more dialogues!“
Wirklich begeistert hat mich die herzliche Gastfreundschaft der Pontificia Universidad Javeriana. Die Gastgeberuniversität beeindruckte nicht nur durch ihre offene Atmosphäre, sondern auch durch eine bemerkenswerte Organisation bis ins kleinste Detail. Zahlreiche engagierte Studierende und Mitarbeitende standen uns während der gesamten Konferenz – und darüber hinaus – jederzeit hilfsbereit zur Seite. Ob bei Regen, wenn freundliche Helfer mit Regenschirmen bereitstanden, oder bei der Orientierung auf dem weitläufigen Campus – wir wurden stets begleitet, versorgt und unterstützt. So wurde uns die kolumbianische Gastfreundschaft auf besonders persönliche Weise spürbar; ebenso die kulturelle Vielfalt des Landes, die sich nicht zuletzt in den wunderschönen Tänzen und musikalischen Darbietungen des festlichen Abschlussabends zeigte.
Als Studentin hat mich die Konferenz u.a. dadurch beeindruckt, mit welcher Hingabe und Ernsthaftigkeit über zentrale Themen wie mentale Gesundheit oder Migration gesprochen wurde. Spürbar war der progressive Wille, Bildung weltweit weiterzuentwickeln und gerechter zu gestalten. Besonders inspirierend war für mich auch, Menschen kennenzulernen, die mit großem Engagement bedeutende Initiativen ins Leben gerufen haben – etwa die Task Force on Peace and Reconciliation, die Jesuit Refugee Services oder das Jesuit Worldwide Learning. Das weltweite jesuitische Netzwerk hat mich nachhaltig begeistert – es ist nicht nur breit aufgestellt, sondern bietet auch vielfältige Möglichkeiten zur Mitgestaltung und Zusammenarbeit.
Raum für kritische Fragen
So wertvoll der internationale Austausch im Rahmen der IAJU-Konferenzen auch ist, blieb auf der Konferenz auch Raum für kritische Fragen. Der Zugang ist oft auf einen kleinen Kreis beschränkt, während Stimmen aus der Hochschulbasis kaum vertreten sind. Wir Global Citizenship Fellows waren beispielsweise die einzigen studentischen Stimmen auf einer Konferenz, die dem Hochschulleben dienen soll. Zudem stehen die ökologische Nachhaltigkeit und die hohen Kosten solcher Reisen natürlich in der Kritik. Auch der Anspruch, globale Gerechtigkeit zu fördern, trifft mitunter auf strukturelle Ungleichgewichte innerhalb des Netzwerks – etwa zwischen Universitäten des Globalen Nordens und Südens. Auch die Tatsache, dass manche Regionen unterrepräsentiert waren, wurde diskutiert. Schließlich stellt sich die Frage, wie offen das stark jesuitisch geprägte Forum für pluralistische Perspektiven ist. Hier scheint es stärkere regionale Unterschiede zu geben als bei anderen Themen. Gerade diese Spannungsfelder machen die kontinuierliche Selbstreflexion solcher Konferenzen umso wichtiger. Ermutigend war, dass all diese Themen offen zur Sprache kamen. Das spricht für eine lebendige Dialogkultur und den Willen zur gemeinsamen Weiterentwicklung. Nicht zuletzt lohnt auch der Blick auf den Entstehungskontext: Die International Association of Jesuit Universities (IAJU) wurde 2018 offiziell gegründet und ins Leben gerufen von Father General Arturo Sosa SJ. Sie befand sich zwischen 2010 und 2018 im Aufbau und entwickelt sich seitdem kontinuierlich weiter.
Die Teilnahme am Global Citizenship Fellowship war eine sehr bereichernde Erfahrung, die mein Bewusstsein für globale Herausforderungen weiter schärfte und mein Verständnis von Global Citizenship vertiefte. Der intensive Austausch mit Studierenden und Professoren aus aller Welt sowie die vielfältigen Impulse der Konferenz, die sich mit bedeutenden globalen Themen auseinandersetzte, eröffneten mir neue Perspektiven und regten mich nachhaltig zur Reflexion an. Die gelungene Kombination aus virtuellen Sitzungen und persönlichen Begegnungen vermittelte uns nicht nur Wissen, sondern stärkte auch unsere praktischen Fähigkeiten. Besonders eindrücklich bleiben für mich die Erlebnisse in Kolumbien – vor allem die lebendige, persönliche und zugleich sehr inspirierende Zeit mit meinen Co-Fellows, die ich nicht mehr missen möchte. Mein besonderer Dank gilt Tom, Julio, Nick und Jane, die von Seiten des Berkley Centers alles dafür taten, dass wir eine schöne und lehrreiche Zeit miteinander haben – es ist euch mehr als gelungen, muchas gracias!
Laura-Marie Baumgartner